Die Sportgemeinschaft hat deutschlandweit in der Krise enger zusammengearbeitet und sich stärker ausgetauscht als jemals zuvor.
Es ist ein klares Zeichen. Das Herbstseminar „Von der Not zur Tugend? Wege aus der Corona-Krise“ des Freiburger Kreises hat vom 17. bis 19. September in Dresden stattgefunden und die Vereinsteilnehmer konnten sich nach langer Zeit wieder einmal persönlich austauschen. Unter Berücksichtigung eines sehr guten Hygienekonzeptes und disziplinierter Einhaltung durch die zahlreichen Teilnehmer ist dies gelungen.
Boris Schmidt, Vorstandsvorsitzender des Freiburger Kreises, fasst die Geschehnisse für Sportdeutschland in seiner Begrüßung zusammen und leitet nach Grußworten von Thomas Rechentin, Amtschef im Sächsischen Staatsministerium des Innern, und der Vereinsvorstellung des Gastgebervereins Dresdner SC 1898 e.V. durch Präsident Wolfgang Söllner die folgende Diskussionsrunde ein. „Die Solidarität der Sportvereinsmitglieder in Sportdeutschland ist zwar groß“, bestätigt Schmidt „doch es sind die fehlenden Vereinseintritte, die erst im kommenden Jahr das ganze Ausmaß der Krise aufzeigen werden“. Die Politik hat entsprechende Hilfsprogramme aufgelegt, doch bestehen hier auf längere Sicht weitere Anpassungsbedarfe. Dabei zeigen sich regional verschiedene Förderprogramme und so die Hilfen der Politik für Vereine in der Krisenzeit höchst unterschiedlich. In der Krise liegen aber auch Chancen für den Sport. Die anschließende Podiumsdiskussion unter Moderation von Pascal Will und den Teilnehmern Boris Schmidt (TSG Bergedorf), Clemens Löcke (Eintracht Hildesheim), Birgit Faber (TSV Falkensee), Jörg Bergner (TV 1848 Erlangen) gibt einen Überblick des Umgangs innerhalb dieser beispielhaften Großsportvereinen mit der Krise. Dabei wird deutlich, dass „die Sportgemeinschaft deutschlandweit in der Krise enger zusammengearbeitet und sich stärker ausgetauscht hat als jemals zuvor“. Einigkeit bestand in der Ansicht, dass positive und kreative Lösungen in der Krise gefordert sind und man gerade jetzt neue sportpolitische Ideen bringen sollte, um die Chance auf Veränderung zu nutzen. Die Krise habe gezeigt, dass der Sport als gesellschaftlicher Kitt systemrelevant ist.
Wie sich die Großsportvereine zu diesem Zeitpunkt mit der Krise enragiert haben zeigt eine Live-Online-Umfrage im Plenum, die ergibt, dass die Freiberger Kreis-Vereine die Krise vorwiegend gut gemeistert haben.
Die Krise hat viele Vereine einem Stress-Test ausgesetzt. Hier bedarf es Bewältigungsstrategien, dessen Fokus Prof. Dr. Gerhard Nowak mit seinem Vortrag „Coping Corona – Bewältigungsstrategien im Stress-Test“ übernimmt. Stress ist allen bekannt. Jeder hat Stress. Doch wie geht man damit um? Anknüpfend an ein Modell besteht zunächst eine Situation/ein Reiz, mit der Verknüpfung eine Entscheidung für diese Situation zu treffen. Somit folgt eine Bewertung auf Grundlage der eigenen Erfahrungen, Werte und Zielen. Abschließend folgt die Einschätzung, ob ausreichend Ressourcen vorhanden sind, um das Problem zu bewältigen. Wie kompetent ist ein Mitarbeiter im Umgang mit Stress? Ist gerade bei Bewältigung von Krisen das Hauptamt besser geeignet? Wie stehen also die Chancen bei Vereinen und Verbänden mit der Corona-Krise gut umzugehen? Um ein Problem zu lösen bestehen maladaptive, kurzfristige Bewältigungsstrategien und adaptive, also mittel- und langfristige, Copingstrategien. Beispielhaft erläutert Nowak das Gesagte. Wie erfolgte die Reaktion auf die Coronakrise durch Sportler? Welche Reaktionen zeigten Sportverbände? Nowak zeigt verschiedenste Beispiel aus Sportdeutschland auf, wie mit den neuen Rahmenbedingungen umgegangen wurde. Hieraus fordert er für einen gelingenden Umgang das Sich-Öffnen gegenüber der Öffentlichkeit, das Herangehen an die Politik, das Verlassen der eigenen Blase, das Beachten und Nutzen von Profis und er fordert Digitalisierung zu nutzen.
Die anknüpfende Diskussionsrunde mit den Partner-Unternehmen Erima, IST-Hochschule, McArena, Kübler Sport, playfit®, Richter Sportstättenkonzepte und Praml Energiesysteme zeigt die Auswirkungen der Krise für diese Unternehmen. Aus dieser Zeit resultieren jedoch auch neue Kooperationen und teilweise zunehmende Nachfrage nach Produkten. Die Unternehmen blicken zuversichtlich in die Zukunft und halten fest, dass sich in der Krise auch viele Chancen ergeben, die es zu nutzen gilt.
Eine weitere Live-Online-Umfrage ergab, dass die Freiberger Kreis-Vereine bzgl. ihrer Mitgliederentwicklung davon ausgehen, dass vorwiegend 5-10% Rückgang erfolgen wird. 5 Vereine können bei sich sogar Zuwachs in der Krise ausmachen.
Am folgenden Seminartag illustriert Michael Kruhl von der Firma KSK (Katastrophenschutz, Sicherheitsplanung, Krisenmanagement) Krisenmanagement bei Katastrophen an Beispielen von Krisensituationen aus der ganzen Welt. Bilder von Erdbebenschäden, Überschwemmungen und Kriegstrümmern zeigen Tätigkeitsfelder auf, die sich in den letzten Jahren ergeben haben. Die damit verbundenen Folgen fordern langwierige Einsätze vor Ort. Die Herausforderungen aus solchen Krisen bedürfen Fachkenntnisse für einen gelingenden Umgang, bei dem es auch insbesondere auf den Zusammenschuss von mehreren Organisationen ankommt, um der Situation gegenübertreten zu können. Es kommt dabei maßgeblich auf schnelle Reaktionszeit, schnelle Entscheidungen und umfassende Kommunikation zur Informationsbeschaffung und Weitergabe an.
Die Basis eines belastbaren Krisenmanagements stellen laut Kruhl ein System aus Strukturen, Prozessen und Ausstattung, ein Team mit entsprechender Ausbildung und Übung sowie eine situative Führung dar. Er gibt als Leitsätze mit: „Standardisierte Strukturen und Prozesse können Sicherheit schaffen, aber Krisenmanagement steht und fällt mir den handelnden Personen.“ „Eine falsche Entscheidung ist besser als keine Entscheidung.“ „Suche die Lösung, nicht das Problem.“ Kruhl fordert die Zuhörer auf, aus der Krise zu lernen und sich anzupassen.
„Krise kann bedeuten, neue Wege zu gehen.“
Eine Forenreihe in Kleingruppen füllte den Nachmittag. Prof. Dr. Lutz Thieme erarbeitete mit den Teilnehmern in seinem Workshop „Mitglieder-Kommunikation in Krisenzeiten“ Sammlungen darüber, was kommuniziert und umgesetzt wurde oder auch fehlgeschlagen ist. Hieraus resultierten wichtige Erkenntnis und Erfahrungen darüber, was zukünftig anders gemacht werden sollte. Im zweiten Forum „Führungskraft in der Krise!?“ referierte Diplom-Psychologe Peter München darüber, dass erst auf Grundlage einer gesunden Selbstführung eine gelingende Mitarbeiterführung resultieren kann. Den Herausforderungen, denen sich die Vereine und Führungskräfte durch die Krise gegenüberstehen, ließ Prof. Dr. Gerhard Nowak in den positiven wie auch negativen Aspekten zusammentragen, um daraus, gleichlautend mit München auszusagen: „Krise kann bedeuten, neue Wege zu gehen.“ Ergänzend präsentierte Horst Beck das Thema „Verschärfter Arbeitsschutz im Sportverein“ und warf direkt zu Beginn provokant ein, ob beim Arbeitsschutz Mitarbeiter immer zuletzt kämen? Die Gruppen erarbeiteten mit ihm zusammen einen Überblick welche Maßnahmen in den Vereinen Umsetzung finden, um dem Arbeitsschutz gerecht zu werden.
Gastrednerin Jule Jankowski, HUMIQ GmbH, Beratungsgesellschaft für Wandel und Entwicklung, vermittelt an diesem Tag mit ihrem Vortrag „Gelebte Agilität – Erkenntnisse aus Corona für Führung und Zusammenarbeit“ die Bedeutung von Agilität in der Krise. Sie beschreibt zunächst, dass Agilität bedeutet schnell und in kleinen Schritten, ergebnisoffen, in Teams, kundenzentriert, reflektierend und selbstorganisiert zu arbeiten. Jankowski hat die Geschehnisse ab dem 16. März 2020, mit den Schulschließungen, zum Anlass genommen die kommenden Tage zu dokumentieren. Sie hat ein Tagebuch verfasst und begonnen Interviews zu führen. Dieses wurde von ihr über einen Podcast namens GOOD WORK veröffentlicht. „Agilität ist durch die Coronakrise in der Arbeitswelt viel mehr gelebt worden“, hält sie fest. Jankowski lässt das Plenum an einigen Audioausschnitten der Podcasts teilhaben. Zusammenfassend verzeichnet sie einen typischen Verlauf für eine Krisenbewältigung: Nach einer Zeit der Helden folgte die Zeit der Ernüchterung. Hieraus ergibt sich die Phase der Schwebe bis, noch ausstehend, die Zeit der Neu-Gestaltung. Sie hält fest, dass den Menschen am meisten absichtsfreie Begegnungen fehlen, doch haben die Menschen daraus gelernt und sich neu organisiert und angepasst, im Privaten wie im Arbeitsleben.
„Europäische Förderprogramme durch deutsche Sportvereine wenig genutzt“
Abschließend stellt Andreas Bolt die Fördermöglichkeiten der EU für den Sport innerhalb einer digitalen Live-Schaltung nach Brüssel in das Büro des EOC (European Olympic Committees) vor. Bolt verschafft einen Überblick über die Förderprogramme und beginnt mit Details zu Erasmus+ Sport. Hier geht es um Förderung für neue internationale Partnerschaften im Bereich des Sports. Bayer 04 Leverkusen gibt Informationen zu einem gelungenen Projekt mit 5 internationalen Partnern im Bereich eines Ratgebers Sport und Diabetes. Weiter erläutert er die Programme Erasmus+ Jugend, Pilotaufrufe Sport und Europäische Solidaritätskorps. Darüber hinaus gibt er einen Hinweis auf europäische Struktur- und Investitionsfond, bei denen der Sport als Mittel zur Zielerreichung genutzt werden kann. Insbesondere auf Grund der recht sparsamen Nutzung durch deutsche Sportorganisationen ruft Bolt dazu auf, diese Förderprogramme für mögliche Projekte einzubeziehen.
Der letzte Seminartag startet mit der informativen Info-Börse, bei der sich das Plenum über die verschiedenen Kursbuchungssysteme austauschte. Hier stellte die TSG Bergedorf das in der Corona-Zeit gestartete Programm FitDance vor, bei dem Übungsleiter zu Balkonsport animierten. Von TSC Eintracht Dortmund wurde ein an die Mitglieder gerichtetes Video mit der Erklärung über die Bedeutung der Krise für den TSC und dem Umgang mit Mitgliedsbeiträgen präsentiert.
Im darauffolgenden Bericht aus den FK-Arbeitskreisen erläuterte Dr. Alexander Kiel die Fortschritte und Ergebnisse der letzten Monate.
Während des Hauptseminars fand gleichzeitig in eigener Gruppierung das bekannte Nachwuchsführungskräfteseminar statt. Persönlichkeitsentwicklung und Selbstreflexion standen für die jungen Menschen im Fokus. Als Botschaft an das Plenum brachten sie mit, dass man die Geschehnisse, die passieren, auf sich zukommen lassen und sich diesen positiv stellen sollte.
Das angebotene Seminar der Studioleitungen hatte den Austausch als Ziel und damit im Fokus des Seminars. Gewinnbringende Erkenntnisse für das eigene Fitnessstudios sahen die Teilnehmer als wertvollsten Aspekt dieses Angebotes. „Es lohnt sich in dieser Form zusammenzukommen“ resümiert Seminarleiter David Ringel.
Abschließend gibt Steuerberater Horst Lienig Informationen und Anmerkungen in seinem Vortrag: „Es gibt auch ein (Vereins-)Leben nach Corona – Strategien der Vereinsfinanzen“. Lienig stellt exemplarisch an zwei Finanzaufstellungen von Vereinen unterschiedliche Finanzkonstellationen vor. Den Einfluss der Krise auf die finanziellen Teilbereiche muss jeder Verein selbst einschätzen. Zahlen für die Planung und Kontrolle sowie auch Förderantragsstellungen müssen vorliegen. Er verweist darauf, dass nur dann Strategien der Vereinsfinanzen gelingen können. Möglichkeiten der Rücklagenbildung, der Umgang mit der aktuellen Umsatzsteueranpassungen, Reingewinnschätzung und Corona-Hilfen für Profisportler sind weitere Felder, in die er Einblicke liefert.
Boris Schmidt schließt das Herbstseminar mit einem Rückblick auf eine gelungene Veranstaltung mit regem Austausch und stellt fest, dass die Vereine des Freiburger Kreises in der Krise sehr aktiv gewesen sind und viele Chancen genutzt haben. Dass eine solche Seminarveranstaltung möglich sei, habe der Freiburger Kreis in diesen Tagen gezeigt und so verweist er auf das Frühjahrsseminar vom 20. bis 22. Mai 2021 in Mannheim und freut sich auf eine gleichbleibend hohe Teilnahme und gelingende Veranstaltung.
Tobias Hartrich